Spektakulär: Das neue Gipfelrestaurant auf dem Nebelhorn
VON Redaktion Architektur
Das „IceQ“ auf dem Geislachkogl bei Sölden in Österreich, das Drehrestaurant „Piz Gloria“ auf dem Schilthorn bei Mürren in der Schweiz… Berggipfel und Bergpanoramen haben Architekten schon immer besonders herausgefordert; sowohl technisch als auch ästhetisch. Anfang Februar wurde auf dem Nebelhorn, dem Hausberg von Oberstdorf, ein weiteres spektakuläres Bergrestaurant eingeweiht. Die Allgäuer haben ihm bereits einen Spitznamen gegeben: „Elphi“. Mit dem Spitznamen nehmen die Oberstdorfer augenzwinkernd Bezug zur Hamburger Elbphilharmonie, das prächtige – am 11. Januar 2017 – eröffnete Konzerthaus in Hamburg. Das Gebäude auf 2224 Metern Höhe kombiniert kulinarische Genüsse mit dem puren Bergerlebnis.
Die neue Nebelhorn Gipfelstation from Juergen Pollak Photographie&Film on Vimeo.
Wer einen Eindruck von dem Projekt auf dem Nebelhorn bekommen möchte, wird auf der Internetseite des Fotografen Juergen Pollak fündig.
Die Bauherren – die Bergbahnen Kleinwalsertal/Oberstdorf – nannten das Projekt „eine der höchsten Baustellen Deutschlands“. Das neue architektonische Konzept passt das Gebäude der bestehenden Topographie an. Ein Kontrast zum Vorgängerbau, einem betonierten Klotz, der auch den Blick aufs Gipfelkreuz verstellt hatte.
Attraktives Gebäude und Bergerlebnis
Die Gastronomie auf dem Nebelhorn war in die Jahre gekommen, so Peter Schöttl, Vorstand der Nebelhornbahn AG. Zu klein, zu verwinkelt, „mit überholtem derbem Hütten-Flair“. „Höchste Zeit, das nicht mehr ganz so charmante Ambiente zu überholen“, ergänzt Augustin Kröll, der Geschäftsführer der Bergbahnen Kleinwalsertal/Oberstdorf in einem Artikel des „Kreisbote“, einer lokalen Wochenzeitung. Die Überlegungen gingen in verschiedene Richtungen. Schließlich entschied man sich für eine Variante, die eine Symbiose aus einem attraktiven Gebäude und dem richtigen Bergerlebnis bildet. „Nicht zuletzt sollte der eigentliche Gipfel mit dem Gipfelkreuz wieder zur Geltung kommen“, so Augustin Kröll.
Bagger fahren über Skipisten hoch
Die Arbeiten begannen nach dem Ende der Skisaison im April 2016. Über die Pisten wurden die für den Umbau benötigten Bagger zur Baustelle am Gipfel gefahren. Als erstes wurde die alte Gipfelhütte abgerissen. Dem Bau-Tagebuch ist zu entnehmen, dass die Hütte Anfang der 1950er Jahre erbaut und im Laufe der vergangenen 60 Jahre immer wieder umgebaut wurde. Ende Mai 2016 war der erste wichtige Schritt geschafft: Das alte Gipfelrestaurant sowie die obere und untere Terrasse waren abgerissen. Damit konnte der Neubau beginnen. Die Büros und Tagesunterkünfte für die Baumannschaft wurden per Hubschrauber von der Seealpe auf das Nebelhorn geflogen. Ein Kran platzierte sie an Ort und Stelle. Anfang Juli war die Bodenplatte des zweiten Untergeschosses fertig. Außerdem sicherte man den Hang mit Nagelwänden und Spritzbeton. Mitten im Sommer kämpften die Teams der Baufirmen mit einem plötzlichen Wintereinbruch. Wegen Schneefalls und Eis waren vorübergehend keine Betonarbeiten mehr möglich. Der Schnee blieb aber nicht lange liegen, sodass es bald weitergehen konnte. In der zweiten Julihälfte standen dann die Außen- und Innenwände des zweiten Restaurant-Untergeschosses. Auf den folgenden Seiten des Bautagebuchs ist gut zu erkennen, wie es von da an immer weiter in die Höhe ging. 25.7.2016: Die erste Deckenplatte für das zweite Untergeschoss wurde betoniert; 22.8.2016: Beim Blick aus Richtung der Seilbahn war schon klar zu erkennen, dass der Neubau für die Fahrgäste wieder den Blick auf das Gipfelkreuz ermöglicht; 16.9.2016: Das Erdgeschoss des neuen Restaurants nahm Form an. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits der Gebäudeteil für die neue Snackbar; 23.9.2016: Das Dach des Erdgeschosses wurde fertiggestellt; 7.10.2016: Nach dem Einbau der Fenster konnte der Innenausbau beginnen; 28.10.2016: Fußbodenheizung und Estrich wurden eingebaut. Anfang November 2016 ging es beim Innenausbau in den Endspurt. Pünktlich zum Auftakt der Wintersaison – im Dezember 2016 – ging die neue Gipfelstation auf 2224 Metern Höhe in Betrieb.
Gipfel von „Sünden“ befreit
Architekt des Gipfelrestaurants ist Hermann Kaufmann aus Schwarzach im Österreichischen Bundesland Vorarlberg. Rückblickend spricht er von einer „tollen Baustelle“. Sein Entwurf habe den Gipfel „von alten Sünden befreit“. Es war wichtig, ein Gipfelerlebnis zu inszenieren. „Wir haben das Gebäude mit der Bergwelt verbunden.“ In seiner Projektbeschreibung heißt es: „Um dem Nebelhorngipfel noch mehr Freiraum zu lassen, wurde das Bauvolumen auf der Bahnsteigebene auf ein Minimum reduziert. Daraus resultierte die Entscheidung, die Haupt-Gastronomieebene ins Untergeschoss zu verlegen und im Erdgeschoss nur einen möglichst flachen, kleinen Baukörper zu errichten.“ Durch das Abrücken von der Bahnstation entstand eine großzügige Terrassenfläche „mit allseits attraktiver Aussicht“. Die neue Seilbahnstation „wurde bewusst als gestalterisch eigenständiges technisches Element in einer funktionalen Ästhetik formuliert“.
Viel Eschenholz
Beim Bau wurde viel Eschenholz verwendet. An der Außenfassade wechselt es sich mit Kupferplatten ab. Im Innenausbau habe man damit laut Kaufmann keine Kulisse geschaffen, sondern „ein authentisches Gebäude gestaltet“. Das Besondere des Restaurants ist der traumhafte Panoramablick. Die Snackbar mit großer Aussichtsterrasse liegt direkt darüber. Laut Bergbahnen Kleinwalsertal/Oberstdorf hat das Restaurant selbst etwa 80 Sitzplätze. Außensitzplätze auf den Terrassenflächen gibt es noch mal 300. Vom Nebelhorns sind bei guter Sicht rund 400 Gipfel zu sehen.
Nervenkitzel am Abgrund
Eine Besonderheit auf dem Gipfel ist mit dem „Nordwandsteig“ entstanden. Er beginnt auf der Terrasse der Gipfelstation und führt höhengleich um den Nebelhorn-Gipfel. Auf diesem Weg können die Besucher nun den Gipfel auf eine ganz neue Art umrunden. Namensgeberin ist die spektakuläre Nebelhorn-Nordwand, die sich vor dem Betrachter in ihrer ganzen beängstigenden Pracht zeigt. Die Nordwand fällt bis zu 600 Meter senkrecht ab, und der „Nordwandsteig“ führt direkt an ihr entlang. Die Nervenkitzel-Idee ist eine ähnliche wie die des schon berühmten „Thrill-Walks“ auf dem Schilthorn in der Schweiz.
In das Bauprojekt auf dem Nebelhorn investierte die Bergbahnen Kleinwalsertal/Oberstdorf rund 5,5 Millionen Euro. Eine Projektbeschreibung und weitere Fotos finden Sie bei Architekten Hermann Kaufmann ZT GmbH.