Der Beton der Zukunft repariert sich von selbst!

Es handele sich um eine zukunftsweisende Innovation, die vollkommen neue Perspektiven für die Betonproduktion eröffnet: Mit diesen Worten beschreibt Benoît Battistelli, Präsident des Europäischen Patentamts, eine Erfindung des Mikrobiologen Hendrik Marius Jonkers. Sein bakterienhaltiger „Bio-Beton» kann spannungsbedingte Risse selbständig schließen. Die Markteinführung ist für 2015/2016 geplant.

Der Prozess: Bestimmte Bakterien produzieren Kalkstein

Dass sich nach 20 bis 40 Jahren Risse im Beton bilden, ist normal. Um Folgeschäden durch das Eindringen von Wasser zu vermeiden und die Lebensdauer des Betons zu verlängern, müssen die Risse geschlossen werden. Jonkers wählte zu diesem Zweck bestimmte Bakteriengattungen, nämlich den Bacillus pseudofirmus und den Bacillus Cohnii. Beide sind in der Lage, Kalkstein auf biologische Weise zu produzieren. Bei diesem Vorgang verbrauchen die Bakterien Sauerstoff und verhindern dadurch die Korrosion (Zersetzung durch die Einwirkung von Wasser) des Stahlbetons im Inneren.

Wichtig: Die Bakterien sind für Menschen absolut ungefährlich. Sie können nur unter den alkalischen (basischen) Bedingungen innerhalb des Betons überleben.

Auf Basis der geschilderten Erkenntnisse entwickelte Jonkers mit seinem Forscherteam drei verschiedene Varianten des bakterienhaltigen Betonwunders:

  • den selbstheilenden Beton,
  • einen Reparaturmörtel und
  • eine flüssige Reparaturlösung.

Während der selbstheilende Beton von Anfang an mit den Bakterien verbaut wird, kommen beschädigte Betonstellen nachträglich mit den beiden letztgenannten Mitteln in Kontakt. Der Effekt ist jedoch stets derselbe: Die Risse verschwinden dank der bakteriellen Aktivität.

Die komplexeste der drei Methoden ist der selbstheilende Beton. Sporen der Bakterien werden in zwei bis vier Millimeter großen Tonpellets eingekapselt und in dieser Form der Betonmischung – zusammen mit gesondert eingeschlossenem Stickstoff, Phosphor und einem Nährstoff auf Kalziumlaktat-Basis – zugefügt. Diese Maßnahme soll gewährleisten, dass die Bakterien bis zu 200 Jahre schlafend im Beton verharren und sich erst in dem Moment, da Wasser durch Risse in die Betonkonstruktion eindringt, aktivieren. Für Bauwerke, die der Witterung ausgesetzt, und Stellen, die für Wartungsarbeiter nur schwer zugänglich sind, eignet sich der selbstheilende Beton besonders. Er macht komplizierte und teure manuelle Reparaturen überflüssig.

Die Perspektive: Revolution der Betonherstellung

In den letzten Jahren wurde der bakterienhaltige Beton mehreren Langzeittests unter diversen äußeren Einflüssen unterzogen. Als Testobjekt fungierte ein speziell für das Forschungsprojekt errichtetes Gebäude in Breda. Jonkers Präventionsmethode könnte die Betonherstellung von Grund auf revolutionieren. Sie hat das Potenzial, hohe Instandhaltungskosten von jährlich vier bis sechs Milliarden Euro allein in den EU-Staaten für Stützmauern, Tunnel und Brücken deutlich zu senken. Damit einhergehend ließen sich auch die aus der Betonproduktion resultierenden CO2-Emissionen eindämmen.
Jonkers sieht sich noch nicht am Ziel seiner Bemühungen: Gegenwärtig forscht er an einer alternativen Technik in Bezug auf die Einkapselung der Bakterien. Gelingt sie, so lassen sich die Produktionskosten für die bakterienhaltige Betons gemessen an der derzeitigen Methode der Partikelbeschichtung um die Hälfte reduzieren.

Vergleich: Die Herstellungskosten herkömmlicher Betons belaufen sich auf circa 80 Euro pro Kubikmeter. Mit der optimierten Produktionsvariante würde der Preis für einen Kubikmeter selbstheilenden Betons nur minimal höher ausfallen: Er betrüge zwischen 85 und 100 Euro.

Der Erfinder: Hendrik Marius Jonkers

Der niederländische Mikrobiologe Hendrik Marius Jonkers promovierte im September 1999 und erforschte anschließend das Verhalten von Bakterien. Mit speziellen kalkproduzierenden Bakterien experimentierte er erstmals während seiner Arbeit als wissenschaftlicher Assistent am Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. Zuvor war er am Institut für Paläontologie der Reichsuniversität Groningen sowie für die Niederländische Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung tätig. Als Bestätigung für die Tragweite seiner Forschungen zum selbstheilenden Beton wurde Jonkers für den renommierten Europäischen Erfinderpreis 2015 in der Kategorie „Forschung» nominiert. Auch wenn er die begehrte Auszeichnung letztendlich nicht gewinnen konnte, so sind sich Experten einig: Der Bio-Beton wird schon bald die Welt erobern!

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