Mega-Wolkenkratzer – Meilensteine oder Höhenflug?

Mega Wolkenkratzer

In ihnen steckt in der in der Regel mehr als nur die Überlegung, möglichst viel Wohn- und Nutzraum auf der geringsten Grundfläche unterzubringen – bei den Mega-Wolkenkratzern der letzten Jahrzehnte, die in den Großstädten rund um den Erdball mit ihren immer imposanteren Ausmaßen beeindrucken, geht es fast immer um sehr viel mehr.

Ein Blick zurück

Mega-Wolkenkratzer sind längst zum Statussymbol der Metropolen geworden. Ihre technische Umsetzung sorgt auch bei Fachleuten für Erstaunen, und mit ihren teils außergewöhnlichen Gestaltung geben sie uns Menschen, die sich immer kleiner vorkommen müssen, einen Einblick in die Zukunft des Städtebaus.

Höher, schneller, weiter – das allein scheint die Devise bei der Fertigstellung zu sein, und wenn vor einiger Zeit noch jemand behauptet hat, dass etwas nicht ginge, dann wird er in immer kürzeren Abständen eines Besseren belehrt. Aber einmal ganz von vorn: Laut Wikipedia wird ein Gebäude von den Landesbauordnungen in Deutschland überwiegend dann als Hochhaus definiert, „wenn der Fußboden mindestens eines Aufenthaltsraumes mehr als 22 Meter über der Geländeoberfläche liegt“.

Die Ursache für diesen zunächst willkürlich erscheinenden Wert liegt an der maximalen Höhe von Feuerwehrrettungsleitern, die nur eine maximale Nennrettungshöhe von 23 Metern erfüllen können. Über diese geradezu zurückhaltende Definition konnte wohl schon der erste „Wolkenkratzer“ der Welt – das „Home Insurance Building“ aus Chicago – bei seiner Fertigstellung nur „müde lächeln“. Das Gebäude erreichte schon im Jahre 1885 eine Gesamthöhe von 42 Metern, die sich auf zehn Etagen verteilte. Fünf Jahre später wurde es um zwei weitere Etagen erweitert und erreichte eine finale Höhe von 55 Metern.


Oben in der Wüste

Wolkenkratzer Burj Khalifa

Der Bau von Mega-Wolkenkratzern hat damit zweifellos nicht mehr viel gemein. Das aktuell höchste Gebäude der Welt trägt den Namen „Burj Khalifa“, was so viel wie „Chalifa-Turm“ bedeutet, und steht in Dubai, der größten Stadt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. In nur fünf Jahren Bauzeit wurde im Januar 2009 die beeindruckende Gesamthöhe von 829,8 Metern inkl. Spitze erreicht.

Das „Burj Khalifa“ ist mehr als nur ein Gebäude und es steht natürlich auch nicht einfach irgendwo. Der Wolkenkrater mit seinen vielen kleinen miteinander kombinierten Türmen bildet das Zentrum des neu entwickelten Stadtgebiets „Downtown Dubai“, in das in die letzten Jahren etwa 20 Milliarden US-Dollar investiert wurde. Wer von diesem Milliarden-Projekt spricht, muss nicht mit Superlativen sparen. Das „Burj Khalifa“ ist unter anderem das höchste absolute Gebäude, hat die höchste genutzte Etage und das höchstgelegene Restaurant. Weltweit natürlich.

Nicht weniger als 57 Aufzüge befördern die Menschen bis nach ganz oben in die 189. Etage, von denen immerhin noch 163 Etagen allgemein nutzbar sind. Das Luxus-Objekt lässt seine Bewohner damit förmlich wie Ameisen wirken. Eigentlich kann man hier nicht mehr von einem einzelnen Gebäude sprechen: Das Konstrukt aus Stahl(-beton), Glas und Aluminium ist vielmehr eine Stadt in sich, die Handel, Wohnen und Freizeitgestaltung umfassend unter einem Dach abdeckt.

Was nichts kostet, ist auch nichts

Das „Burj Khalifa“ ist aber nur buchstäblich die Spitze in dem internationalen Reigen der Mega-Wolkenkratzer. In immer kürzeren Bauphasen werden immer größere und vor allem höhere Gebäudeformen auf der ganzen Welt realisiert – allen voran in den wirtschaftlich boomenden, asiatischen Ländern wie China. Aber auch europäische Metropolen wie London stehen in nichts nach.

Allein in der Millionenstadt an der Themse werden in den kommenden Jahren mehr als 200 neue Wolkenkratzer der bestehenden Skyline ein neues Gesicht geben. Enorme Investitionen also, die letztendlich auch getätigt werden, um wirtschaftlicher Macht ein plakatives Aussehen zu verleihen. Das „Burj Khalifa“ in Dubai produzierte Baukosten in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar und es mag kein Zufall sein, dass es mit etwas Fantasie an zusammengeschobene Münzstapel erinnert.

Der Turm, der den Namen des Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate trägt, sollte ein Symbol sein – für einen Wüstenstaat, der über so viele Erdölvorkommen und eine gut gefüllte Staatskasse verfügt, dass er bei seinen Bürgern und den oftmals ausländischen Unternehmen in den Freihandelszonen nicht einmal Steuern erhebt. Heute ist man davon weit entfernt. Die Kassen in Dubai sind mittlerweile leer und die Pleite droht.

Tücken der Technik

Die Konstruktionen von Bauvorhaben mit Mega-Wolkenkratzern dieser Art, die noch vor einiger Zeit als nicht durchführbar erschienen, erfordern besondere technische Lösungen. Mit jedem Meter mehr, den man nach oben baut, steigt auch die Zahl der Probleme, die gelöst werden müssen. Damit das „Burj Khalifa“ mit seinen etwa 110.100 Tonnen Gesamtlast nicht kollabiert, wurde ein spezieller betongestützter Kern in das Gebäude integriert.

Und damit ein Gebäude wie das „Taipeh 101“ – ein etwa 508 Meter hoher Büroturm in Taiwans erdbebengebeutelter Hauptstadt – überhaupt an diesem Standort stehen kann, hat man eine 660 Tonnen freischwingende Kugel zwischen das 92. und 87. Stockwerk gehängt, die wie ein Pendel funktioniert und so die Schwankungen kompensiert. Viel Aufwand also, nur um etwas zu bauen, das noch größer ist als etwas, das es schon gab.

William Baker vom Chicagoer Architekturbüro SOM war als Chefingenieur für die Statik des „Burj Khalifa“ zuständig. Als er sich zum allerersten Mal mit den Abgesandten des Herrschers von Dubai getroffen hat, gab es eigentlich nur eine Vorgabe: „Bauen Sie uns das höchste Gebäude der Welt.“ Damit wurde die gesamte Intention auf den Punkt gebracht. Ein glasverkleidetes Hochhaus, das in der Wüste steht, aufwändig gekühlt werden muss und so enorme Energieressourcen verbraucht, wird übrigens nicht nur von so manchem Architekten, sondern auch von Umweltaktivisten als eine einzige Absurdität kritisiert.

Den Bewohnern der Luxus-Wohnungen im „Burj Khalifa“ steht übrigens zurzeit neuer Ärger ins Haus: Aufgrund der extremen Nebenkosten liegen sie mit der Betreibergesellschaft im Streit, die ihrerseits umgehend damit drohte, Klimaanlagen und Aufzüge zeitweise abzustellen. Dem schwächelnden Immobilienmarkt in Dubai und der weltweiten Finanzkrise konnte das Projekt seit Anbeginn schon kein neues Leben einhauchen. Seit der Eröffnung im Januar 2010 kämpft das Gebäude mit Leerstand, teilweise bis zu 90%. In Dubai wurden wohl auch deshalb mittlerweile die Bauarbeiten von neuen, spektakulären Vorhaben wie dem „Nakheel Tower“, der über einen Kilometer hoch werden sollte, bis auf Weiteres eingestellt.

Hohe Ziele für die Zukunft

Wo also wird die Jagd nach immer neuen Rekorden bei den Mega-Wolkenkratzern zukünftig enden? Sicher kann man das natürlich nicht sagen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist aber davon ausgehen, dass das „Burj Khalifa“ seinen Status als höchstes Gebäude der Welt mittelfristig verlieren wird.

In Aserbaidschan soll innerhalb des Großprojekts „Caspian Islands“ ab 2015 ein Hochhausturm entstehen, der eine Höhe von 1050 Meter aufweist. Die geschätzten Baukosten für den „Azerbaijan Tower“ betragen zwei Milliarden US-Dollar. Die Betreiber rechnen mit einer Fertigstellung im Jahr 2019.

Wir können uns also in Zukunft noch auf einige Rekorde gefasst machen, vielleicht sogar auch unter der Erde, denn aktuelle Visionen und Architekten-Entwürfe wollen jetzt auch den Boden unter den Städten zunehmend für sich gewinnen. Einer der Chefingenieure des „Burj Khalifa“ hat sich übrigens im Jahr 2006, also mitten in der Bauphase, von seinem Arbeitgeber in Chicago getrennt und sein eigenes Büro eröffnet. Er konzentriert sich mittlerweile ausschließlich auf nachhaltiges Bauen. Vielleicht auch ein kleiner Hinweis darauf, was man als Architekt noch so alles für den Städtebau tun kann.

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