Architekturszene in China

Peking, China - Wangjing Soho

China ist ein reizvoller Markt für Architekten, doch wer dort erfolgreich sein will, der muss die Spielregeln kennen.

In China plant es sich anders

Die Volksrepublik China entwickelt sich immer mehr zu einem Hotspot für aufstrebende Architekturbüros. Vermutlich in kaum einem Land sonst auf der Welt wird derzeit und in den nächsten Jahrzehnten so viel gebaut wie dort. In allen Bereichen – seien es Wohnungen, Hotels, Einkaufszentren oder Industrianlagen – überall herrscht Nachholbedarf.

Auch wenn die Globalisierung die Welt kleiner und vertrauter erscheinen lässt, kulturelle, politische und soziale Unterschiede führen dazu, dass die Arbeit für Architekten in China eine andere ist, als in der Schweiz, Deutschland oder in anderen Staaten Europas.

Die Architekturszene in China

Es sind weniger die privaten Architekturbüros, die in China das große Rad drehen. Denn auch wenn seit 1994 private Büros gegründet werden dürfen, so ist ihr Einfluss auf den Markt überschaubar. Nach wie vor dominieren große Architekturfabriken. Kein Wunder: In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die chinesische Regierung einem enormen Bevölkerungswachstum und dem Wunsch nach wirtschaftlicher Expansion gegenüber gesehen. In erster Linie ging es deshalb nicht um architektonisch ansprechende Bauten, sondern um effizientes Hochziehen von Wohnraum, Geschäftshäusern und Industrieanlagen.

In China, dem Land mit rund 1,35 Milliarden Einwohnern, fehlt es nicht an Manpower. Kein Wunder also, dass sich europäische Architekten im Wettbewerb gegen Planungsbüros mit mehreren tausend Mitarbeitern behaupten müssen. Diese Architekturfabriken gehören meist städtischen Behörden oder Universitäten an. Bauvorhaben können so in sehr kurzer Zeit, sehr professionell über die Bühne gebracht werden. Dass sich Individualität in solchen Zusammenhängen nicht entfalten kann und auch vom chinesischen Selbstverständnis her häufig nicht erwartet wird, versteht sich von selbst.

Wer kann als Architekt in China arbeiten?  

Es macht natürlich einen großen Unterschied, ob man als Ausländer in China arbeiten möchte oder ob ein Chinese sich um eine Stelle als Architekt bemüht.

Für Ausländer gibt es hohe, besonders finanzielle Hürden, wenn es darum geht, sich in China selbständig zu machen. Einfacher hingegen ist es, eine Anstellung bei einem bereits niedergelassenen Büro zu bekommen. Wer einen Arbeitsvertrag hat, der braucht ein Arbeitsvisum. Die Beantragung erledigt in aller Regel der neue Arbeitgeber.

Für Chinesen gibt es zwei Möglichkeiten, als Architekt zu arbeiten. Der große Unterschied liegt in der Ausbildung.

  • Vorausgesetzt wird mindestens ein Bachelor-Abschluss in Architektur. Dazu werden einige Jahre Berufserfahrung verlangt, um sich beim Ministry of Housing and Urbanrural Development registrieren lassen zu können. Ist diese Hürde genommen, kann der Architekt seiner Arbeit ohne Einschränkungen im Bezug auf Umfang oder Kosten nachgehen.
  • Architekten, die sich beim Ministry of Housing and Urbanrural Development registrieren lassen wollen, aber keinen Universitätsabschluss vorweisen können, sind in ihrer Arbeitserlaubnis eingeschränkt. Sie dürfen nur Projekte realisieren, die einen Kostenumfang von höchstens 30 Millionen RMB haben oder nicht größer als 10 000 Quadratmeter sind. Diese Daten stammen von der Germany Trade & Invest.

Weitere Details dazu finden sich in einem Fachaufsatz der Germany Trade & Invest (PDF).

Die Germany Trade & Invest ist eine Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik Deutschland und berät nach eigenem Bekunden Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit auf ausländische Märkte vergrößern wollen. Außerdem liefert sie Außenwirtschaftsinformationen.

Unterschiede zur Schweiz und Deutschland

Der Bedarf an moderner, zweckmäßiger Architektur ist in China riesig. Die Regierung strebt danach, das Land immer weiter in Richtung Wirtschaftswunder zu treiben. Berichte über den immer unerträglicher werdenden Smog in den Großstädten, über vergiftete Flüsse oder verarmte Wanderarbeiter zeigen aber, dass das Land vor einer Vielzahl von Herausforderungen steht und deshalb nicht alle Probleme gleichzeitig anpacken kann. Das Wirtschaftswachstum geschieht immer noch viel zu häufig auf Kosten von Mensch und Umwelt, auch wenn seit kurzem ein langsames Umdenken in Gang gekommen ist.

So ist es nicht verwunderlich, dass sich Themen wie nachhaltiges Bauen, Denkmalschutz, die Nutzung von ökologischen Baustoffen, Wärmedämmung oder altersgerechtes Wohnen noch nicht so weit durchsetzen konnten, wie im Westen.

Immer wieder wird auch bei einem genaueren Blick auf die Strukturen vor Ort deutlich, dass es durchaus auch ein unterschiedliches Verständnis vom scheinbar gleichen Konzept gibt. So gibt es in China durchaus den Begriff «Green Building». Doch während in Europa darunter der verantwortungsbewusste Umgang mit der Umwelt und der Endlichkeit der Ressourcen gemeint ist, verstehen chinesische Planer und Bauherren darunter oft etwas anderes. Für sie steht das Wohngefühl im Vordergrund. Auch unter den Aspekten der Feng-Shui-Lehre, also die fernöstliche Lehre über das richtige Bauen und Einrichten, liegt der Blick weniger auf dem Umweltschutz, als auf Komfort und der Möglichkeit, das Gebäude möglichst hochpreisig verkaufen zu können.

So ist «Green Building» in China leider immer noch eher ein Marketinginstrument, als Ausdruck einer nachhaltigen Grundüberzeugung.

Einen ausführlichen Einblick in diesen Punkt findet sich auch in dem Fachaufsatz der Germany Trade & Invest (PDF).

Nationalstadion Peking
von Pierre de Meuron und Jacques Herzog

Turbo-Architektur

Zeit ist Geld und damit etwas, was es in China zumindest im Geschäftsleben nicht im Überfluss gibt. Das kommunistische Land, das sich seit einigen Jahren immer mehr hin zur  Marktwirtschaft öffnet, steht vor großen Umbrüchen.

Die Ein-Kind-Politik hat dazu geführt, dass die Gesellschaft schnell und drastisch überaltert. In nicht allzu ferner Zukunft werden Seniorenheime, Pflegeeinrichtungen und Häuser für betreutes Wohnen unverzichtbar sein, um das soziale Gefüge nicht völlig aus der Balance zu bringen. Während früher die Kinder für ihre alten Eltern gesorgt haben, ist dies heutzutage nahezu unmöglich. Denn wo die Geschwister fehlen, liegt all die Verantwortung auf nur einem erwachsenen Kind. Beruf und  Verantwortung für die Familie lassen sich so nicht vereinbaren.

Immer mehr Landbewohner suchen ihre Heil in den Städten. Doch die rechtliche Strukturen machen es ihnen oft fast unmöglich, ein gutes Leben dort führen zu können. Weil sozialer Friede aber weit oben auf der Agenda der Regierung stehen dürfte, muss auch an diesen Punkten nachgebessert werden. Erschwinglicher Wohnraum, Schulen, Krankenhäuser – eben die komplette Infrastruktur muss der Landflucht angepasst werden.

Experten schätzen, dass etwa die Hälfte der Chinesen vom Land in die Städte ziehen will. Aufzuhalten ist dieser Trend kaum. Selbst unter schlechten Bedingungen leben viele einfache Landbewohner lieber in den Millionen-Citys – die Hoffnung auf einen sozialen Aufstieg für sich selbst und die eigene Familie wiegt schwerer als die teilweise prekären Lebensverhältnisse.  So ist es nur logisch, dass große Bauprojekte, manchmal ganze Städte, am Reißbrett geplant und in kürzester Zeit realisiert werden. Besonders hoch liegen die Ansprüche an Optik und Qualität dann nicht, es geht einzig darum, schnell Wohnraum zu schaffen. So entstehen Bausünden, wie man sie aus der Nachkriegszeit in Europa kennt.

Historische Bausubstanz

Chinesische Touristen bewundern auf ihren Europareisen mit Begeisterung historische Altstädte. In ihrer Heimat werden vergleichbare Strukturen weit weniger wertgeschätzt. Bestes Beispiel dafür sind wohl die Hutongs, die bis kurz vor den Olympischen Spielen große Teile der Pekinger Innenstadt prägten. Die alten Hofhäuser stammten noch aus der Kaiserzeit. Das Leben dort war einfach, die Wohnfläche nur sehr gering, Gemeinschaftsbäder und öffentliche Toiletten gehörten zum Leben dazu. Das soziale Gefüge in diesen Wohngebieten funktionierte, war es doch natürlich gewachsen. Doch mit Blick auf Olympia und die vielen ausländischen Gäste, entschied sich die Regierung, die Viertel fast ausnahmslos abzureißen. Von etwa 6000 Gebäuden sind nur wenige einzelne erhalten geblieben. Der Rest musste Neubauten weichen.

Nicht alles ist grau

Auch wenn in China vieles schnell geplant und gebaut wird, es gibt weit mehr als das oft angeprangerte Einheitsgrau. Es gibt viele prominente Beispiele die zeigen, dass internationale Architekten bereits ihre Handschrift im Land der aufgehenden Sonne hinterlassen haben. So hat zum Beispiel das schweizerische Büro Herzog & de Meuron das Olympiastadion gebaut. Für die Umsetzung solcher Projekte ist die Staatsmacht gerne bereit, viel Geld in die Hand zu nehmen. Wie in früheren sozialistischen Staaten, wie der UdSSR oder der DDR, ist es auch heute in China noch üblich, Prachtbauten in den Dienst der Propaganda zu stellen. Mehr zu diesem Thema bei www.spiegel.de.

Doch nicht nur die staatlich geförderten Mammutprojekte sind Ansatzpunkte für westliche Architekten, die Fuß in China fassen wollen. Denn die wohlhabende Mitteilschicht der chinesischen Städte hat nicht nur viel Geld, sondern reist auch gerne durch die Welt. So entstehen Begehrlichkeiten, wie luxuriöses Wohnen auch aussehen kann. Wer ein westlich geprägtes Haus möchte, der wendet sich auch gerne an einen Architekten aus dem Westen.

Chinesische Architekten schaffen es nach und nach immer mehr, eigene kreative Ansätze zu finden und damit erfolgreich zu sein. Wang Shu, der sich mit seinen geschwungenen Dachformen international einen Namen gemacht hat, gewann 2012 als erster chinesischer Architekt des Pritzker-Architekturpreis.

Erfolge wie diese sind Wegbereiter für eine eigenständige Architekturszene in China. Für Architekten aus dem Westen, die in Fernost ihre Chance ergreifen wollen, könnten die Zeiten kaum besser sein.

Wer darüber nachdenkt, in China als Architekt zu arbeiten, der findet hier bei der Norddeutschen Landesbank (PDF) weitere Informationen.

 

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