Glas und moderne Architektur: lichtdurchflutet und energieeffizient bauen

Der Bauhausstil galt in den 1920er-Jahren als Vorreiter für moderne Architektur. Eines seiner Hauptmerkmale: Glasfassaden. Diese sind heutzutage aus dem modernen Städtebau nicht mehr wegzudenken. Glasfassaden haben jedoch den Ruf, bei all ihrer Schönheit nicht besonders energieeffizient zu sein. Stimmt das? Und was muss ein Architekt beim Bauen mit Glas sonst noch wissen? Lesen Sie weiter.

Glas und Glasarten

Glas ist chemisch gesehen eine amorphe, erstarrte Schmelze aus Quarzsand, Natron, Kalk und anderen Stoffen. Glas lässt Sonnenstrahlung mit Wellenlängen von 315 bis 2500 nm durch. Darin ist das sichtbare Licht eingeschlossen, viele UV-Bänder jedoch nicht. Die am häufigsten verwendete Glasart ist Floatglas, bestehend aus Siliciumdioxid, Calciumoxid, Natriumoxid, Magnesiumoxid und Aluminiumoxid.

Floatglas, auch Flachglas genannt, stellt man seit 1959 im Floatverfahren her. Die Glasschmelze fließt dabei über ein flüssiges Zinnbad, was ihr eine vollständig plane Oberfläche beschert. Floatglas kann zu Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) oder Verbund-Sicherheitsglas (VSG) verarbeitet werden. Weitere Glasarten sind:

  • Gussglas: ähnliche Eigenschaften wie Floatglas, aber transluzent (nicht durchsichtig)
  • Profilbauglas: spezielle Form des Gussglases, U-förmig
  • Glassteine: Hohlglaskörper aus zwei aneinander geschmolzenen Glasschalen, transluzent

Bei Fenstern wird aufgrund der Wärmedämmanforderungen inzwischen nur noch Isolierglas eingesetzt. Eine Isolierverglasung besteht aus zwei Floatglasscheiben, die über einen Randverbund luftdicht miteinander verbunden sind. Der Zwischenraum von ca. 15 mm Breite ist meist mit Luft gefüllt, was eine gute Wärmeisolierung bewirkt. Noch besser wird diese, wenn statt Luft ein Edelgas (Argon, Krypton oder Xenon) eingefüllt ist. Der Randverbund kann aus Edelstahl, Aluminium oder Kunststoff gefertigt sein.

Muss ein Sicherheitsglas verbaut werden, kommen ESG, VSG oder TVG (teilvorgespanntes Glas) in Betracht. ESG entsteht durch die thermische Vorspannung einer Floatglasscheibe. Das Glas wird dadurch mechanisch belastbarer und zerbricht beim Bersten in sehr viele kleine Bruchstücke statt weniger großer Scherben. Der Nachteil von ESG: Es kann nicht geschnitten oder gebohrt werden. Zudem ist der Wärmedurchgangskoeffizient mit ca. 5,8 W/m2 K zunächst sehr schlecht und muss durch spezielle Beschichtungen aufgebessert werden.

Bei TVG erfolgt die thermische Vorspannung nicht ganz so brachial wie bei ESG. Diese Glasart ist deswegen zwar fester als Floatglas, aber weniger widerstandsfähig als ESG. Dafür ist die optische Welligkeit geringer, auch kann es im Gegensatz zu ESG nicht zu Spontanbrüchen kommen. TVG wird z. B. im Überkopfbereich sowie bei Schrägfassaden eingesetzt.

VSG besteht aus zwei Glasscheiben (Floatglas, ESG oder TVG), und einer dazwischen liegenden Schicht aus hochreißfester PVB-Folie. Beim Aufprall eines Körpers halten die Glassplitter so zusammen und können den Körper noch halten. Zum Einsatz kommt VSG bei Absturzsicherungen, Dachverglasungen oder Passagenüberdachungen.

Glasfassaden sind beliebt, aber anspruchsvoll

Ohne Frage sind Glasfassaden eine Bereicherung für jedes Gebäude. Lichtdurchflutete Räume, direkterer Kontakt zur Außenwelt oder auch die symbolische Transparenz öffentlicher Einrichtungen sind klare Argumente für Glasfassaden. Allerdings sind ihre Planung und Konstruktion anspruchsvoll: Leicht sollen sie wirken, aber stabil sein; transparent sein und doch keine „Nacktheit“ schaffen.

Bei Glasfassaden unterscheidet man zunächst einmal zwischen einschaligen und mehrschaligen Fassaden. Einschalige Fassaden bestehen aus nur einer Fassadenebene, welche direkt auf der Baustelle zusammengesetzt wird. Am häufigsten kommt bei Einfamilienhäusern die Pfosten-Riegel-Technik zum Einsatz, hier befestigt man die Glasscheiben zwischen Pfosten aus Holz, Stahl oder Aluminium. Diese Technik ist erste Wahl, wenn eine filigran wirkende Fassade gefragt ist.

Mehrschalige Fassaden haben, wie der Name schon sagt, mehrere Ebenen mit unterschiedlichen Zwecken. Meist dient die äußere Ebene als Witterungs- und Windschutz für die innere Ebene und soll außerdem den Schallschutz verbessern.

Am anspruchsvollsten bei Glasfassaden ist, insbesondere für größere Gebäude, die Halterungstechnik. Hier kommen drei Lagerungstechniken zum Einsatz:

  • Punkthalterung
  • Seilnetzfassaden
  • Structural Glazing (SG)-Fassaden

Bei der Punkthalterung werden die Glasflächen durch einzelne, auf Reibe- oder Lochleibungsverbindungen basierende Halter getragen. Die Einzelhalter leiten die auftretenden Kräfte in eine separate Tragekonstruktion weiter. Damit Punkthalter und Scheibe keinen direkten Kontakt haben, wird die Bohrung mit Polymerhülsen vergossen. Die Abdichtung der Glasscheiben untereinander erfolgt durch eine UV-beständige Abschlussmasse. Punktgehaltene Glasfassaden gehören zu den baurechtlich „nicht geregelten“ Bauprodukten. Deswegen ist vor Verwendung von der Baubehörde eine „Zustimmung im Einzelfall“ einzuholen.

Eine Seilnetzfassade kam erstmals 1993 beim Hotel Kempinski in München zum Einsatz. Damals war die komplett verglaste, riesige Fassade ein Meilenstein der Glasarchitektur. Die Tragekonstruktion besteht aus gespannten Seilen, an deren Klemmen die Punkthalterungen für die Glasscheiben sitzen. Das Glas wird dabei allerdings nicht durchbohrt. Das vermeidet hohe Spannungskonzentration. Außerdem können die Seile so vorgespannt werden, dass sie sich bei Windeinwirkung nur kontrolliert verformen. Die Seile selbst sind unten im Fundament und oben an einem Fachwerkträger verankert. Da sie hinter den Glasfugen verlaufen, nimmt man sie fast nicht wahr: eine maximal transparente Fassade.

Noch einen Schritt weiter gehen Structural Glazing (SG)-Fassaden. Sie entsprechen dem Wunsch nach völlig ebenen Glasflächen ohne sichtbare Befestigungen. Im Grunde handelt es sich um eine Variante von Vorhangfassaden, bei der die Glaselemente nur durch Silikonfugen getrennt sind. Die Scheiben werden mit einem Hilfsrahmen und untereinander verklebt, dabei verwendet man einen sehr starken Silikonklebstoff (Structural Sealant). Der Hilfsrahmen selbst wird mit der Unterkonstruktion mechanisch verbunden. Insgesamt sieht der Betrachter von außen bestenfalls die ca. 20 mm breiten Fugen, durch die Reflexion der Glasscheiben wird deren Sichtbarkeit sogar noch heruntergesetzt. Ab einer Einbauhöhe von 8 m über Grund müssen geklebte Fassaden zusätzlich durch eine mechanische Soghalterung gesichert werden.

Glasfassaden: Sind die durchsichtigen Wände Energiefresser?

Es hält sich immer noch hartnäckig die Ansicht, dass Glasfassaden ungefähr so energieeffizient seien wie amerikanische Full-Size-Pickups mit V8. Tatsächlich funktionierten Glasfassaden früher nach dem Motto „Wer schön sein will, muss leiden“: Im Sommer schwitzte man, im Winter fror man, beides aufgrund der schlechten Wärmedämmung sowie der unzureichenden Lüftung. Heute kann man beide Probleme als gelöst betrachten. Mit Warmglas kann man gut dämmen und mit ausgeklügelten Systemen entsprechend belüften.

Auch geklebte Fassaden haben inzwischen hervorragende Wärmedämmwerte. Die eingesetzten Sillikonklebstoffe sind wasser- und luftdicht sowie wärmedämmend.