Ist Holz der neue Beton?
Bauen mit Holz hat eine große Fangemeinde. Immer mehr Gebäude werden mit innovativen Holzkonstruktionen geplant. Der Neuentdeckung des uralten Baustoffs verdanken wir aktuell eine Reihe von herausragenden Gebäuden, die den Weg zum nachhaltigen Bauen entscheidend prägen. Ist Holz der Baustoff der Zukunft? Wir zeigen Ihnen 5 innovative Gebäude, die einen klaren Trend erkennen lassen.
Schaut man die in jüngster Zeit fertig gestellten Bauwerke an, wird eines deutlich: Das Bauen mit Holz ist eine Bewegung, die rasant an Fahrt aufnimmt. Wurden früher vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser aus Holz gebaut, wagt man sich jetzt auch an Hochhäuser oder komplexe Gebäude für öffentliche Auftraggeber heran. Experten halten den Baustoff für mindestens so gut geeignet wie Stahl und Beton. Dabei hat Holz viele zusätzlich Vorteile: Im Gegensatz zu Beton und Zement ist der Baustoff wesentlich nachhaltigerer, weil Bäume das Kohlendioxid der Erdatmosphäre binden. Dank der besseren akustischen und thermischen Eigenschaften lässt es sich in Holzhäusern auch wesentlich angenehmer und gesünder leben. Noch ist der Holzbau teurer als Beton. Bezieht man die Energiebilanz mit ein, ändert sich das Bild aber schon deutlich.
Stadthaus „Murray Grove“, London
In nur 49 Wochen wurde das neunstöckige Haus im Stadtteil Hackney erbaut. Das Architekturbüro Waugh Thistleton setzte den Bau abgesehen von einem Sockelgeschoss aus Stahl vollständig in Holz um. Alle Elemente – von tragenden Wänden über das Treppenhaus bis zum Aufzugsschacht – sind aus Brettsperrholz konstruiert. Die innovative, sich selbst aussteigende Tragwerkskonstruktion besteht aus wabenartigen Wand- und Deckenelementen. Auch die Eternitfassade besteht zu 70 % aus Altholz. Die 29 individuell gestalteten Appartements wurden noch während der Bauzeit an Privateigentümer verkauft Bei seiner Fertigstellung im Januar 2009 war das Gebäude mit 30 Metern das höchste Holzwohnhaus der Welt.
Betriebsgebäude Artis GmbH, Berlin
Der innerstädtische Neubau einer Werkhalle mit angeschlossenem, zweigeschossigem Verwaltungs- und Produktionstrakt in Berlin-Tempelhof ist ein Vorzeige-Projekt für nachhaltiges Bauen mit Holz. Bei dem von Ziegert Roswag Seiler Architekten Ingenieure geplanten Gebäude kamen weitgehend CO2-neutrale Baustoffe (Holz und Zellulose) zum Einsatz. Das L-förmige Gebäude ist extrem energieeffizient und hat einen Jahresprimärenergiebedarf der die Anforderungen der EnEV 2009 um 86 % unterschreitet. Die ideale Ausnutzung des Materials zeigt sich in den 20 Meter langen und bis zu 1,85 Meter hohen Fischbauchträgern des Hallendachs. Für tragende Innenwände wurde Brettsperrholz verwendet. Der Rohbau stand dank vorgefertigter Elemente innerhalb von nur fünf Wochen. Eine Photvoltaikanlage auf dem Dach deckt den Strombedarf des Unternehmens im Grundbetrieb. Für die Warmwasseraufbereitung und Beheizung wird ausschließlich Restholz verwendet.
Interims Audimax der Technisches Universität, München
Aufgrund höherer Studentenzahlen erhielt die TU-München 2011 ein Interims Audiomax. Das zweigeschossige Gebäude mit fast quadratischem Grundriss befindet sich auf dem Campus Garching und beherbergt zwei Hörsäle. Aus dem eingeschossigen Foyer führen zwei Treppenkerne nach oben und macht die Hörsäle auch von dort zugänglich. Deubzer König + Rimmel Architekten plante das Bauwerk als Skelettbau in Holzbauweise. Das Primärskelett basiert auf einem Grundraster von 62,5 cm und ist mit Holzrahmenwänden ausgefacht. Für die Tragkonstuktion verwendete man 240 x 240 mm dicke Fichtenholzstützen. Eine Fassade aus schwarz lasiertem Fichtenholz legt sich in weichen Wellen um den Baukörper. Die fließenden Bewegungen werden durch wellig geschnittene Furnierschichtholzplatten als Unterkonstruktion ermöglicht.
Bürogebäude der Tamedia Mediengruppe, Zürich
Der japanische Architekt Shigeru Ban realisierte einen innovativen Neubau für das Schweizer Unternehmen, das 480 Mitarbeiter einen neuen Arbeitsplatz bietet. In seiner Planung kombiniert er japanische Zimmermannskunst mit zeitgenössischem Design. Die spezielle Holzkonstruktion des Gebäudes kommt dank Steckverbindungen ganz ohne zusätzliche Stahlverstärkung oder Leim aus. Etwa 2.000 Kubikmeter Fichtenholz wurden als vorgefertigte, passgenaue Bauteile vor Ort montiert. Trotz vorgeblendeter Glasfassade dominiert die Holzkonstruktion das Gebäude deutlich. Shigeru Ban leistete einen entscheidenden Beitrag zum nachhaltigen Bauen. Das fünfgeschossige Bauwerk wird CO2-frei betrieben. Mittels Grundwasser wird die Heizung und Kühlung ermöglicht, so dass auf fossile Brennstoffe verzichtet werden kann.
HoHo Wien, das höchste Holzhaus der Welt
Bis zum Jahr 2018 soll im Nordosten Wiens ein 84 Meter hoher Holz-Tower mit 24 Stockwerken entstehen. Das Hochhaus wird mit einer Fläche von 25.000 Quadratmetern Platz für Büros, Appartements, ein Hotel, ein Restaurant und Geschäfte bieten. Das Architekturbüro RLP Rüdiger Lainer + Partner plant für das Gebäude ein innovatives Konstruktionssystem, das für die Nutzfläche ein Höchstmaß an Flexibilität ermöglicht. Die vorgesehene Hybridbauweise vereint die Vorzüge von Holz- und Betonbau. Für die Erschließung des Gebäudes dient ein aussteifender Beton-Kern an den eine Holzbaukonstruktion für die offene Gebäudenutzung anschließt. Ab dem Erdgeschoss liegt der Holzbauanteil bei etwa 75 Prozent. Für die gesamte Konstruktion sollen etwa 3.600 m³ Holz verbaut werden. Das Energiekonzept des HoHo Wiens bietet gleichzeitig Maßnahmen zur Energieversorgung und zur Vermeidung von Energieverlust. Es sind zum Beispiel Aufzüge mit Energierückgewinnung, Photovoltaik-Anlagen, Luft-Wasser-Kollektore, Fundamentabsorber und ein dezentrales Lüftungssystem mit Konditionierung geplant. Das Gebäude soll für rund 65 Millionen Euro umgesetzt werden.